Ärger um den Relotius-Aufdecker

 

Noch immer gibt es im Fälscher-Skandal Relotius mehr Fragen als Antworten. Dennoch sind schon ein Buch und ein Film geplant. Dabei verfolgen der "Spiegel" und der Aufdecker Juan Moreno unterschiedliche Interessen, wie ein Bericht von "kress pro" zeigt.

1. Wie sieht es aus im Relotius-Skandal?

Aufgearbeitet ist der Fall Relotius noch nicht, aber die Buch- und Filmrechte sind schon verkauft. Der lange erwartete Abschlussbericht der dreiköpfigen Aufklärungskommission ist ebenfalls fertig gestellt und an Geschäftsführer Thomas Hass und Chefredakteur Steffen Klusmann geschickt worden. Demnächst will der Verlag die wesentlichen Inhalte im Heft und Online veröffentlichen. Ob Relotius wieder eine Titelgeschichte wird wie nach der Aufdeckung des Skandals, darüber sei noch nicht entschieden, heißt es von Verlagsseite.

2. Warum kommen jetzt schon ein Buch und ein Film?

Ende März wurde bekannt, dass der "Spiegel"-Autor Juan Moreno ein Buch zu dem Fall schreiben will, den er maßgeblich selbst aufgedeckt hatte. Moreno ist fester freier Autor des Magazins. Das Werk soll im Herbst unter dem Titel: "Tausend Zeilen Lüge. Das System Relotius und der deutsche Journalismus" im Rowohlt Berlin Verlag erscheinen. Außerdem soll ein Film über den Fall gedreht werden. Die UFA Fiction hatte sich in Gestalt des Produzenten Sebastian Werninger die Filmrechte an dem Buch gesichert. Über Regie und Besetzung ist noch nicht entschieden, aber die "Welt" wartete gleich mit praktischen Vorschlägen auf: "Wie wäre es mit Matthias Schweighöfer als Relotius und Javier Bardem als Moreno?"

Das rasende Tempo der Fiktionalisierung ist beeindruckend. Zum Vergleich: Bis "Schtonk", Helmut Dietls geniale filmische Umsetzung der Fälschungen der Hitler-Tagebücher, erscheinen konnte, verging fast ein Jahrzehnt.

Das Moreno-Buch soll nach Verlagsangaben am 17. September erscheinen. Erstaunlich: Mit dem "Spiegel" ist das Projekt nicht abgestimmt. Man unterliege einem "Missverständnis", wenn man davon ausgehe, dass das ein Buch des "Spiegel" oder Spiegel-Verlages werden solle, teilt der "Spiegel" mit. Moreno sei freier Mitarbeiter, der "auch für den ,Spiegel' tätig ist". Das Buch schreibe er in eigener Regie.

Das alles klingt seltsam distanziert. Wir halten fest: Juan Moreno, dem der "Spiegel" bei der Aufdeckung der Affäre fast alles verdankt und der als einer der renommiertesten Autoren und Reporter bei dem Nachrichtenmagazin gilt, ist nach wie vor nicht fest angestellt. Zur Erinnerung: Moreno hatte seine Gegen-Recherchen von Relotius' Geschichten auf eigene Faust und Rechnung und gegen den Widerstand des Ressortleiters Matthias Geyer betrieben. Der hatte ihm im Fall einer wahrheitswidrigen Beschuldigung des damaligen Starreporters Relotius kurzerhand mit dem Rausschmiss gedroht. Moreno ging ins Risiko und er fand in der Geschichte "Jaegers Grenze" über eine Bürgermiliz an der Grenze zwischen den USA und Mexiko Belege für Fälschungen.

Ebenso überraschend ist, dass sich Moreno und der "Spiegel" beim geplanten Buch nicht abstimmen. Das spricht nicht gerade für ein gutes Einvernehmen zwischen dem Autor und seinem Auftraggeber. Das Nachrichtenmagazin dementiert zwar, dass man sich mit dem Aufdecker entzweit habe. Zweifel daran müssen erlaubt sein.

Wenn ein Autor, der fest frei für den "Spiegel" arbeitet, ein Buch über den größten Fälschungsskandal der vergangenen drei Jahrzehnte plant, der das Nachrichtenmagazin unmittelbar betrifft, kann der "Spiegel" die Verantwortung nicht von sich weisen und das Projekt zur Privatsache seines Autors erklären. Entweder billigt er das Vorgehen oder er billigt es nicht. Eigentlich liegt es im Interesse des "Spiegel", die Affäre hinter sich zu lassen und zum Alltag zurückzukehren. In Hintergrundgesprächen versucht der Verlag daher, Branchenjournalisten und Anzeigenkunden die beruhigende Botschaft zu verkünden, man habe die Geschichte weitgehend aufgearbeitet, die Lage im Griff und sei geläutert.

"3. Was macht eigentlich Claas Relotius?", "4. Darf Juan Moreno das Buch überhaupt schreiben?" "5. Warum ist Claas Relotius bisher geschont worden?".

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