Grundsätzlich trage Claas Relotius für seine Texte Verantwortung, lautet das Fazit der Kommission in ihrem Abschlussbericht. "Er ist Täter." Und: "Um die Aufdeckung von Fälschungen zu verhindern, hat Relotius erheblichen Aufwand betrieben." Gleichzeitig hätten "seine Beliebtheit und seine Art der Kommunikation" in Dokumentation und Redaktion "zu mangelnder kritischer Distanz gegenüber seinen Texten" geführt.
Vor seinen Fälschungen habe es im Haus drei deutliche Warnungen gegeben, so die Kommission. "Jede davon hätte Relotius stoppen können - zumindest theoretisch." Dennoch war zwei Wochen nach einem ersten Hinweis des Reporters Juan Moreno noch eine Titelgeschichte erschienen, für die Relotius mehrere Passagen über die Pazifikinsel Kiribati geschrieben hatte.
Relotius sei aber gar nicht dort gewesen, "sein Text war gefälscht". Moreno hatte Relotius schließlich auffliegen lassen. "Man kann das Loblied auf Juan Moreno gar nicht laut genug singen. Sonst wäre der Fall Relotius so nie aufgeklärt worden", wird Stefan Weigel von dpa zitiert.
Die Kommission habe "keinen weiteren Claas Relotius" gefunden. Aber sie hat sich mit einem weiteren Autoren beschäftigt, der wegen Fälschungen in Geschichten für ein anderes Magazin aufgeflogen war und der auch 43 Texte für den Spiegel geschrieben hatte. Der Großteil davon sei weitgehend in Ordnung gewesen, "zwei Geschichten wurden aber massiv verfälscht".
Außerdem hat die Kommission "etliche Hinweise" erhalten, "dass manche Spiegel-Kollegen in ihren Texten nicht immer journalistisch korrekt arbeiten". Dabei handele es sich aber ausdrücklich nicht um Fälschungen.
Die Kommission bestand aus der freien Journalistin und früheren Chefredakteurin der Berliner Zeitung, Brigitte Fehrle, Spiegel-Chefredaktions-Mitglied Clemens Höges und dem Spiegel-Nachrichtenchef Stefan Weigel. Sie hatten Gespräche geführt, Mails ausgewertet und sind Hinweisen aus der Redaktion und von außerhalb nachgegangen.
Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Betrugsfalls auf den Verlag wird Spiegel-Geschäftsführer Thomas Hass von dpa so zitiert: "Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen, weil wir in dieser Situation von Anbeginn an volle Transparenz gezeigt haben. Wir hatten den Willen zur schonungslosen Aufklärung. Eines ist aber klar: Es darf nie wieder passieren." Nur wenige Abonnenten hätten wegen Relotius gekündigt. Und dennoch: "Der Betrugsfall geht an die Substanz der journalistischen und publizistischen Marke."
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