"Ich gebe auf. Ich kann nicht mehr. Es reicht. Gabor Steingart hat gewonnen - ich halte meinen Neujahrsvorsatz nicht durch", beginnt Thomas Knüwer den Beitrag auf seinem Blog "Indiskretion Ehrensache".
Eigentlich habe er Steingarts Morgen-Newsletter schon abbestellt gehabt, weil ihn "überdrehte Meinungskolumnen" langweilten. Doch dann habe er dem "Morning Briefing" doch noch mal eine Chance gegeben. Grund: "Bei Media Pioneer arbeiten Personen, [...] die eine Aufbruchstimmung ausstrahlen, die ich in klassischen Medienhäusern dringend vermisse", so Knüwer, Gründer der Digitalberatung kpunktnull, der 14 Jahre in der Handelsblatt-Redaktion gearbeitet hat und Gründungschefredakteur der deutschen Wired war.
Weil Knüwer immer wieder über die ein oder andere Passage in den Steingart-Texten gestolpert sei, habe er folgenden "Neujahrsvorsatz" gewählt: "Ein halbes Jahr würde ich Gabor Steingart ohne übergroßen Einsatz nachrecherchieren." Und das sollte so gehen: "Jeden Tag - soweit es Arbeit oder Urlaub zulassen - wollte ich den Newsletter lesen. Wenn die Deformation klingelt, würde ich mir 5 handgestoppte Minuten geben, den Fakt zu recherchieren. Und immer, wenn Steingarts Text sich als Unschärfe oder Falschheit herausstellte, würde ich dies notierten."
Nach vier Monaten hat Knüwer das Projekt abgebrochen - aus Rücksicht auf seine "persönliche Psychohygiene", nicht aus zeitlichen Gründen, wie er betont. "Ich möchte einfach nicht mehr jeden Abend (meistens erfolgte der Newsletter-Check zum Ende meines Arbeitstages) so agitiert heimkehren wie ein linksradikaler Student der 68er Generation unter dem Einfluss sehr schlechter Drogen", so Knüwer, der ein vernichtendes Urteil fällt: "Das Ausmaß an Verdrehungen, Fehlern und Unhöflichkeiten, die Steingart produziert ist für mich schlicht unerträglich."
Knüwer listet in seinem Großprojekt, das er auf mehrere Artikel verteilt veröffentlicht, sieben Punkte zur "Methode Steingart" auf. Diese sind: "Nur Fakten einblenden, die eine These stützen", "Behauptungsjournalismus galore", "Niemals an das Gute im Menschen glauben", "Hasse die Medien, aber bediene dich ihrer", "Erschwere die Recherche", "Korrigiere dich niemals", "Habe keine Meinung - tu nur so".
Das, was Gabor Steingart jeden Morgen in seinen Apple tippe, seien Mythische Märchen, eine nicht enden wollende Schlacht um Troja mit Achilles gegen Hektor, mit Agamemnon und Paris, findet Knüwer. Sein Schlussfazit: "Es wäre ein okayischer Schlussgag, deshalb so zu enden, dass Gabor Steingart einfach die Begriffe 'Journalismus' und 'Märchen' bei seinem Werbeslogan aus Schusseligkeit vertauscht hat, wie er so vieles unscharf und verschusselt-vertauscht darstellt. Allein: Nach vier Monaten Steingart-Lektüre kann ich nicht zu 100 Prozent ausschließen, dass dies genau so passiert sein könnte."
Hintergrund: Media Pioneer-Gründer und Herausgeber Gabor Steingart hat in diesem Monat mit der neuen Dachmarke ThePioneer eine gemeinsame Bühne für alle Publikationen des Journalismus-Startups präsentiert - darunter auch das neue Hauptstadt Briefing von Michael Bröcker und Gordon Repinski. Die Redaktion arbeitet auf dem Medienschiff ThePioneer One, das ihre Jungfernfahrt von Bonn nach Berlin inzwischen beendet hat. Das Bezahlmodell: Auf Pioneer-Mitglieder warten exklusive Zugänge zu Informationen, Analysen, zum Schiff und dem Meinungsaustausch mit Entscheidern (kress.de berichtete).
Neben Knüwer hatte zuletzt auch Übermedien-Gründer Stefan Niggemeier am Werbespot von ThePioneer und an der Arbeit Steingarts Kritik geübt.
Chefredakteur Markus Wiegand befasst sich in seiner aktuellen kress pro-Kolumne mit der Frage: Wie findet die Branche Steingarts Newsletter?
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