Jeder hat in seinem Leben immer wieder einmal eine Phase, in der es ihm nicht so gut geht. Gründe dafür gibt es viele. Die meisten sind völlig alltäglich: Stress in der Redaktion oder mit dem Partner, Überlastung durch zu viele Aufgaben und Termine. Andere sind seltener, dafür einschneidender: Arbeitslosigkeit, Trennung, eine schwere Erkrankung, der Tod eines lieben Menschen, eine allgemeine Krise (z. B. Corona). Manches lässt sich ändern, anderes kann man nur hinnehmen und versuchen, das Beste aus den gesetzten Umständen zu machen. Aber was genau kann ich tun, um mich besser zu fühlen?
Wahrscheinlich haben Sie für bestimmte Situationen schon Methoden gefunden, die für Sie funktionieren. Vielleicht gehen Sie laufen, wenn Ihr Tag nervig war, oder meditieren mit einer App, wenn Sie sich zu angespannt fühlen. In anderen Situationen fällt es Ihnen eventuell schwer, wieder in eine bessere Stimmung zu kommen. Das ist vor allem normal, wenn Sie mit einer Situation konfrontiert sind, die Sie bisher nicht kennen. Beispiel: Sie haben immer erfolgreich gearbeitet, nun aber drängt Sie ein neuer Chef plötzlich aus dem Team.
Passende Methode je nach innerer Verfassung
Im Coaching arbeite ich mit einem systematischen Ansatz, den ich auch meinen Klienten vermittle. Er ordnet verschiedene innere Verfassungen auf einer Skala von 1-7. Je höher, desto mehr innere Kraft hat jemand in diesem Moment. Dieser Ansatz erlaubt es, selbst einzuschätzen, wie stark man derzeit wirklich ist und was einem gerade am besten helfen könnte. (Falls Sie Details interessieren, finden Sie mehr in meinem E-Book dazu). Hier einige Empfehlungen für verschiedene innere Verfassungen, um sich wieder besser zu fühlen.
1. Erschöpft: Ausruhen ohne schlechtes Gewissen
Wenn Sie derzeit sehr erschöpft sind und sich kaum in der Lage fühlen, Ihren Alltag zu bewältigen: Ruhen Sie sich ohne schlechtes Gewissen aus, um wieder zu Kräften zu kommen. Sagen Sie berufliche und private Termine ab, wo es nur geht. Wenn Sie selbst Ihre Freunde derzeit nicht sehen wollen, verschieben Sie Verabredungen. Wenn Ihnen selbst Sport zu anstrengend ist, genügt ein kurzer Spaziergang. Schlafen Sie genug. Was dabei geschieht: Sie belasten sich nicht noch zusätzlich mit Selbstvorwürfen, was Sie eigentlich alles erledigen müssten, mit denen Sie sich noch schlechter fühlen würden. Sondern erlauben sich selbst, sich wieder zu sammeln. Danach können Sie über kleine Schritte nachdenken, die Ihre Situation verbessern. Urteilen Sie dabei nicht zu hart über sich selbst: Selbst scheinbar winzige Veränderungen sind bereits ein Fortschritt.
2. Angespannt: Sich selbst etwas Gutes tun
Wenn Sie feststellen, dass Sie sich ständig mit anderen streiten oder angegriffen fühlen, in viele unnötige Konflikte verwickelt sind: Tun Sie sich selbst etwas Gutes. Machen Sie etwas, von dem Sie wissen, dass es Sie entspannt. Für manche ist es Sport ("Beim Laufen kriege ich den Kopf wieder frei") oder Meditation. Für andere ein Wellness-Wochenende, ein kleiner Ausflug oder auch nur ein Stündchen im Café mit einer interessanten Zeitschrift. Was dabei geschieht: Sie verschieben Ihren Fokus von anderen – was diese angeblich alles falsch machen, nicht verstehen – auf sich. Das entspannt Sie und Ihre Beziehungen. Sie verschwenden weniger Energie für sinnlose Konflikte und können sie stattdessen dafür nutzen, die Ursache zu beseitigen. Beispiel: Anstatt sich weiter ständig mit dem Ressortleiter zu streiten, kümmern Sie sich um Bewerbungen, Weiterbildung und Ihr Netzwerk.
3. Antriebslos: Um jemand anderen kümmern
Möglicherweise stellen Sie fest, dass Sie "eigentlich gar keine Probleme" haben, es Ihnen "gut geht". Gleichzeitig fühlen Sie sich antriebs- und orientierungslos, auch gelangweilt. Hier hilft es Ihnen, andere Menschen in den Vordergrund zu stellen. Kümmern Sie sich um jemanden, helfen Sie anderen. Das kann im Job passieren (z. B. als Mentor, eigenes neues Teamprojekt) oder in Ihrem Privatleben (z. B. Beziehung, Freunde, Verein, Ehrenamt). Was dabei geschieht: Sie füllen Ihr Leben mit mehr Sinn. Es macht zufriedener, nicht nur um sich selbst zu kreisen, sondern auch für andere da zu sein. Eigene Befindlichkeiten werden dabei weniger bedeutsam. Ihr Engagement wird Ihnen Anerkennung und Stolz bringen. Gleichzeitig lernen Sie viel über sich und andere. Alltägliches Beispiel: Der Wechsel vom Single-Leben zu einer Beziehung, dann zu einer Familie mit eigenen Kindern.
4. Überlastet: Verantwortung zurückgeben
Wenn Sie sich von der Verantwortung für andere erdrückt fühlen, ist es Zeit, Verantwortung zurückzugeben. Erlauben Sie sich zuerst selbst, auch wieder an Ihre eigenen Bedürfnisse zu denken. Es darf nicht immer nur um die anderen gehen. Sie dürfen Hilfe begrenzen, um sich selbst zu stärken. Beispiel: Als alleinerziehender Elternteil müssen Sie nicht "immer für die Kinder da sein", sondern dürfen sich einen freien Abend pro Woche organisieren. Was dabei geschieht: Sie trennen schärfer zwischen eigener Verantwortung und der, die Sie zeitweilig für andere übernommen haben. Besonders wichtig ist das, wenn gut gemeinte Zusagen weitreichender ausfallen oder länger andauern, als Sie es sich vorgestellt haben (z. B. finanzielle Unterstützung des Partners). Dass Sie jemandem aus den besten Motiven heraus geholfen haben, bedeutet nicht, dass das ewig so weitergehen muss.
5. Zu geschäftig: An den Sinn des Ganzen denken
Wer sein Leben gut organisiert hat, pragmatisch und kraftvoll führt, empfindet seinen Alltag oft wie eine gut geölte Maschine: Alles läuft, aber die Arbeit scheint nie ein Ende zu finden. Hier hilft es, den persönlichen Sinn der eigenen Anstrengungen genauer zu ergründen. Gut geeignete Methoden sind beispielsweise Biografiearbeit (Ihren Lebensweg erforschen und dokumentieren), eine geplante Auszeit oder auch nur mehr Zeit in der Natur. Was dabei geschieht: Sie lösen sich davon, Ihren Alltag als unendliche To-do-Liste zu gestalten: Immer neue Erledigungen in Berufs- und Privatleben. Und wechseln zu einer persönlichen Prioritätenliste: Was ist Ihnen in dieser Lebensphase wichtig, was nicht mehr? Das erleichtert Ihnen große Entscheidungen (z. B. angestellt bleiben oder selbstständig machen) und nimmt den unvermeidbaren kleinen Ärgernissen des Lebens ihr Gewicht. In den 90er Jahren galt Glück als höchstes Ziel in der Persönlichkeitsentwicklung. Derzeit sind es Sinn und Zufriedenheit. Das sind allerdings eher mediale Trends in Büchern und Magazinen. Im Laufe Ihres eigenen Lebens werden Sie unterschiedlichste Schwerpunkte setzen wollen, da Sie alle genannten Phasen einmal erleben werden. Je mehr Methoden Sie dafür kennenlernen und ausprobieren, desto müheloser ist der Wechsel in die nächste.
Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis aus Journalismus, PR und Unternehmenskommunikation als Coach. Schwerpunkt: Berufliche und persönliche Neuorientierung. Im April 2020 erschien sein Buch: "Ich mach da nicht mehr mit" (Gräfe und Unzer). Mehr als 20 Jahre hat er selbst als Journalist gearbeitet, u.a. bei der "Freien Presse" in Chemnitz, "Bild" und "Blick". Für einen Schweizer Industriekonzern baute er die globale Marketingkommunikation mit auf. Er hat Betriebswirtschaft und Webentwicklung studiert.
Kommentar hinzufügen ×
Hinweis zu Ihrem Kommentar
Die Beiträge nicht eingeloggter Nutzer werden von der Redaktion geprüft und innerhalb der nächsten 24 Stunden freigeschaltet.
Wir bitten um Ihr Verständnis.