Nach Protest von Digitalministerin Bär: Roland Tichy gibt Vorsitz der Ludwig-Erhard-Stiftung ab

23.09.2020
 

Die Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär, hat ihre Mitgliedschaft in der Ludwig-Erhard-Stiftung gekündigt. Grund für diese Entscheidung ist eine Publikation in dem Magazin Tichys Einblick, das von Roland Tichy herausgegeben wird. Dieser reagiert nun laut einem FAZ-Bericht auf die Kritik.

Der Journalist und Publizist Roland Tichy wird nach Informationen der FAZ im Oktober den Vorsitz der Ludwig-Erhard-Stiftung im Rahmen einer Mitgliederversammlung abgeben. Auch der stellvertretende Vorsitzende Oswald Metzger und Schatzmeister Alexander Tesche wollen demnach nicht mehr antreten.

Im FAZ-Artikel von Herausgeber Gerald Braunberger kommt Bundesbankpräsident Jens Weidmann zu Wort, der ebenfalls Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung ist. Braunberger zitiert ein Schreiben von Weidmann an die anderen Mitglieder der Stiftung. Darin heißt es im Bezug auf Roland Tichy: "Unser derzeitiger Vorsitzender hat die Arbeit der Stiftung befördert, er spielt aber zugleich eine medial sichtbare Rolle als Herausgeber von Tichys Einblick. Dort herrscht ein zuspitzender, oft polemischer Debattenstil und es ist wiederholt zu beleidigenden und verletzenden Äußerungen gekommen, die sich mit den Idealen der Stiftung nicht vertragen und eine negative öffentliche Berichterstattung über die Stiftung ausgelöst haben. Mitglieder haben der Stiftung den Rücken gekehrt und vorgeschlagene Preisträger die Annahme einer Auszeichnung durch die Stiftung abgelehnt."

Daher zeige sich Weidmann mit dem bevorstehenden Rückzug Tichys sehr zufrieden, betont Braunberger in der FAZ: "Ein personeller Neuanfang ist deshalb wichtig und ich begrüße, dass Roland Tichy bereit ist, den Weg dafür frei zu machen. Denn seine Rolle als Herausgeber verträgt sich nicht mit seiner Rolle als Vorsitzender der Stiftung. Noch in diesem Herbst haben wir in einer Mitgliederversammlung die Möglichkeit, eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden zu wählen, die oder der die Arbeit der Stiftung voranbringen und ihre Ideale verkörpern kann", wird Weidmann zitiert. 

Was war passiert?

Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) hatte die Kündigung ihrer Mitgliedschaft in der Ludwig-Erhard-Stiftung gegenüber dem Handelsblatt damit begründet, dass es im Magazin Tichys Einblick "frauenverachtende und in höchstem Ausmaß sexistische Äußerungen" gegenüber ihrer Kollegin Sawsan Chebli gegeben habe.

In Tichys Einblick heißt es demnach über die SPD-Politikerin Chebli, die sich im selben Berliner Wahlkreis wie der amtierende Berliner Bürgermeister Michael Müller (SPD) um eine Bundestagskandidatur bemüht: "Was spricht für Sawsan?(...) Befreundete Journalistinnen haben bislang nur den G-Punkt als Pluspunkt feststellen können in der Spezialdemokratischen Partei der alten Männer."

Chebli hatte den Beitrag am Mittwoch auf ihrem Twitter-Account gepostet. Er löste ein enormes Echo aus. Chebli kommentierte: "Ein besonders erbärmliches, aber leider alltägliches Beispiel von Sexismus gegen Frauen in der Politik." Dorothee Bär teilte Cheblis Tweet und schrieb dazu: "Das ist widerlicher Dreck! Wo steht denn so ein Müll?"

"Derartige Ausfälle sind unerträglich und mit den Zielen der Stiftung absolut unvereinbar", erklärt Staatsministerin Bär am Donnerstag im Handelsblatt ihren Austritt aus der Ludwig-Erhard-Stiftung. Ludwig Erhards Ansinnen wäre heute sicher nicht die Herabwürdigung von Frauen, sondern das Fördern weiblicher Karrieren. "Sofern die Stiftung einen Vorsitzenden hat, unter dessen Federführung solche Texte veröffentlicht werden, kann und will ich sie nicht weiter unterstützen. Es zeigt eine gesellschaftspolitische Geisteshaltung, die ich nicht akzeptiere", so Bär.

Chebli bedankte sich via Twitter bei Bär für deren "klare Haltung" und schrieb: "Wir dürfen nicht länger Sexismus hinnehmen. Wir brauchen aber auch die Männer, die mit uns an einem Strang ziehen."

Zur Person: Dorothee Bär ist seit 2002 Mitglied des Bundestages; 2009 bis 2013 Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, seit Dezember 2013 bis März 2018 Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, seit März 2018 Staatsministerin für Digitales.

Roland Tichy war Chefredakteur der Magazine Impulse und Euro sowie der Wirtschaftswoche. Seit 2014 ist er Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung und seit 2016 Herausgeber des Monatsmagazins Tichys Einblick.

Hintergrund: Die Ludwig-Erhard-Stiftung ist eine gemeinnützige Einrichtung. Sie ist unabhängig von Parteien und Verbänden. Altbundeskanzler Ludwig Erhard gründete 1967 die Stiftung und gab ihr die Aufgabe, freiheitliche Grundsätze in Politik und Wirtschaft zu fördern und die Soziale Marktwirtschaft in seinem Sinne zu stärken. Ziel ist eine freiheitliche Ordnung zur Sicherung menschenwürdiger Lebensformen.

Tichys Einblick ist der Titel eines seit 2014 erscheinenden Onlinemagazins des deutschen Journalisten und Publizisten Roland Tichy, der auch die namensgebende Kolumne beisteuert. Seit 2016 erscheint zudem monatlich eine gedruckte Zeitschrift gleichen Titels. Das Medium bezeichnet sich selbst als "liberal-konservatives Meinungsmagazin".

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