Der Norddeutsche Rundfunk hat vorige Woche einen Beitrag zu der Rolle des stern-Gründers im Zweiten Weltkrieg veröffentlicht. "Als Magazin, das Henri Nannen geprägt hat, wollen wir uns der Debatte stellen", kündigt der frisch gebackene stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz als Reaktion auf die Recherchen an.
Schmitz schreibt in seinem Artikel Henri Nannen und wir auf stern.de:
"Grundsätzlich neue Erkenntnisse liefert dieser, auch nach Einschätzung etwa der renommierten Historikerin Christina von Hodenberg, nicht, wie sie dem Deutschlandfunk sagte. Aber er liefert Bilder, nämlich antisemitische, sexistische und rassistische Flugblätter, welche die Abteilung 'Südstern' mit Nannen in leitender Position veröffentlicht hat, wohl um den Kampfgeist der Alliierten zu unterminieren und auch bei ihnen Hass auf Juden zu schüren."
Schmitz findet die Bilder eklig und widerlich, sie bedienten vor allem viele antisemitische Klischees: der feige Jude, der das Kämpfen anderen überlässt. Der gierige Jude, der Menschen durch den Fleischwolf dreht, um sie zu Geld zu machen. Der lüsterne Jude, der Frauen an den Leib will.
"Diese Flugblätter wurden über Jahrzehnte akribisch gesammelt und in der Staatsbibliothek Berlin verwahrt, seit den 2000ern wurden sie verschiedentlich veröffentlicht - nur eben leider nicht vom stern selbst", so Schmitz weiter. Er lobt die NDR-Rechercheure ausdrücklich für ihre Arbeit - und kündigt an: "Als Magazin, das Henri Nannen geprägt hat, wollen wir uns der Debatte stellen, ob wir noch kritischer als bisher auf den (komplizierten) Menschen Nannen schauen müssen und wie sehr die oft angeführten Argumente zu seinen Gunsten noch taugen: dass so viele andere Deutsche auch oder schlimmer schuldig geworden sind, dass er nach dem Krieg die deutsche Demokratie durchlüftet hat. Dass er die eigene Schuld durchaus thematisierte, auch als Auftrag, nie wieder so ein Regime zuzulassen."
Schmitz zitiert aus einem offenen Brief von Nannen im Stern aus dem Jahr 1979: Darin schrieb Nannen, gewusst zu haben, dass damals im Namen Deutschlands wehrlose Menschen vernichtet wurden, wie man Ungeziefer vernichtet, und er trotzdem ohne Scham die Uniform eines Offiziers der deutschen Luftwaffe trug: "Ja, ich wusste es, und ich war zu feige, mich dagegen aufzulehnen."
Der neue stern-Lenker Gregor Peter Schmitz will jede neue Erkenntnis, jedes neue Detail nutzen, um bisherige Bewertungen wieder und wieder infrage zu stellen. Deshalb werde man in den kommenden Wochen im stern offen um die Frage ringen, wie man die Person Nannen bewerten soll, ob er weiter Namensgeber einer Schule sein könne, in der junge Journalistinnen und Journalisten ausgebildet werden, ob einer der renommiertesten Medienpreise seinen Namen tragen und ob Henri Nannen im stern-Impressum Gründungsherausgeber bleiben soll.
"Und wir werden, wie schon länger geplant, anlässlich des 75. Geburtstags des stern alle Facetten seiner Tätigkeit in den Nazijahren von Fachleuten untersuchen lassen - und auch eine mögliche Einflussnahme Nannens auf die spätere Berichterstattung im stern", stellt Schmitz klar. Das sei keine Demontage und erst recht keine Kampagne. Es sei das, was der Journalist Henri Nannen Generationen von Journalistinnen und Journalisten aufgetragen habe: den Dingen auf den Grund zu gehen.

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