"Keine mafia-ähnlichen Strukturen": Newsroom-Mannschaft des WDR läuft Sturm gegen Berichte

31.10.2022
 

Mehr als 100 feste und freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WDR-Newsrooms widersprechen in einem offenen Brief der Berichterstattung von Kölner Stadt-Anzeiger und correctiv.

"Wer sich im WDR umhört, und zwar auf unterschiedlichen Hierarchie-Ebenen, erhält eindeutige Antworten. Von 'mafia-ähnlichen Strukturen' ist da mitunter die Rede, von einem 'totalen Klimawandel' in einem einst streitlustigen Sender. Wer in Führungspositionen wolle, müsse immer loyal alles abnicken, wer auch mal widerspreche, gelte schnell als Querulant und werde ins Aus befördert. Vergleiche man den Sender mit einem Staat, sei die Gewaltenteilung nicht gegeben", heißt es im Artikel Klage gegen WDR: Journalist wirft dem Sender 'faktisches Arbeitsverbot' vor im Kölner Stadt-Anzeiger.

Dazu nimmt die Mannschaft des WDR-Newsrooms in einem öffentlichen Brief Stellung:

Wir widersprechen für unsere redaktionelle Heimat, den WDR-Newsroom, Ihrer Darstellung, es herrschten "mafia-ähnliche Strukturen", ein "totaler Klimawandel" und wir seien vergleichbar mit "einem Staat", in dem "die Gewaltenteilung nicht gegeben" sei. Und auch über den Newsroom hinaus ist das nicht unser Eindruck von der Arbeitsatmosphäre im WDR insgesamt.

Auch der Vorwurf, dass wir nicht kritisch über RWE berichten könnten, ist für uns nicht nachvollziehbar. Wir sind angesichts solcher Aussagen erschüttert und fassungslos. Von den Unterzeichnenden arbeiten viele bereits über Jahrzehnte in festangestellter oder freiberuflicher Form für den WDR. Niemand von uns kann diese Eindrücke auch nur ansatzweise nachvollziehen. Ihre Autorin hat außerdem uns dazu nicht befragt.

Wir stellen fest: Wir sind stolz auf unsere Diskussionskultur, die sicherlich nicht immer perfekt ist. Aber wir arbeiten jeden Tag daran, sie weiter zu verbessern. Wir haben unterschiedliche Perspektiven, Haltungen und Einstellungen bei jeder Geschichte, jedem Thema - und äußern sie auch. Und vor allem können Sie sicher sein: Würde jemand "von oben" versuchen, uns in unserer Berichterstattung zu steuern, würde das "unten" nicht akzeptiert.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WDR-Newsrooms wünschen sich, dass der Streit zwischen dem klagenden Redakteur und dem WDR nicht auf den gesamten Kollegenkreis ausgeweitet werde. Zu dem Sachverhalt selbst könne man keine Stellung nehmen.

In Richtung Kölner Stadt-Anzeiger und correctiv geht abschließend eine klare Botschaft: "Wir erwarten von Ihrer Redaktion eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Thematik und eine Klarstellung. Denn so kann das nicht stehen bleiben."

Hintergrund: Der WDR-Redakteur und Klimaexperte Jürgen Döschner wirft seinem Arbeitgeber laut Medienberichten ein politisch motiviertes "faktisches Arbeitsverbot" vor und klagt auf Schadenersatz. Über den Streit haben am Donnerstag der Kölner Stadt-Anzeiger und das Recherchezentrum Correctiv in identischen Artikeln berichtet.  Der WDR ist jetzt zum Gegenangriff geschritten (kress.de berichtete).

Exklusive Storys und aktuelle Personalien aus der Medien- und Kommunikationsbranche gibt es von Montag bis Freitag in unserem kressexpress. Kostenlos unseren Newsletter abonnieren.

Ihre Kommentare
Kopf
Inhalt konnte nicht geladen werden.