Die Journalistin Anuschka Roshani (57) hat in einem Spiegel-Gastbeitrag schwere Vorwürfe gegen Finn Canonica, bis Juni 2022 Chefredakteur von "Das Magazin", erhoben. Roshani arbeitete selbst von 2002 bis 2022 für das renommierte Schweizer Blatt, das als Samstagsbeilage der Tageszeitungen erscheint, die die Tamedia-Gruppe herausgibt. ´
Canonica habe "ein Regime des Mobbings" installiert, so Roshani in ihrem Text im Spiegel, für den sie früher selbst gearbeitet hat. Roshani schreibt von "verbalen Herabsetzungen", etwa der Unterstellung, sie habe sich journalistische Leistungen mit Sex erschlichen. Auch ihre Herkunft soll eine Rolle gespielt haben.
Roshani schreibt, dass sie ihre Situation "seit 2010 mehrfach gegenüber verschiedenen Stellen" bei Tamedia geschildert habe - ohne Erfolg. 2021, als knapp 80 Tamedia-Journalistinnen dem Verlag in einem Brief vorwarfen, er toleriere sexistisches Verhalten, war Roshani unter den Unterzeichnerinnen.
Im Sommer 2022 verkündete Tamedia, dass Finn Canonica das Magazin verlassen werde. Kurz darauf trennte sich Tamedia auch von Anuschka Roshani. Die Journalistin reichte im November Klage gegen das Verlagshaus ein - "wegen Verletzung der Fürsorgepflicht aufgrund sexistischer Diskriminierung und Mobbings".
Der Spiegel schreibt, er habe die Anschuldigungen Roshanis geprüft, die Recherche stütze die Vorwürfe und lasse sie insgesamt plausibel erscheinen. Die Redaktion hat auch den Beschuldigten und Tamedia mit einem Fragenkatalog konfrontiert. Demnach antwortete Finn Canonicas Anwalt: "Die Vorwürfe treffen nicht zu und werden vehement bestritten." Tamedia wiederum teilte dem Spiegel mit, der Verlag habe die Vorwürfe "sehr ernst genommen und akribisch prüfen lassen". Doch eine externe Untersuchung habe die Vorwürfe von Roshani "zum überwiegenden Teil" nicht bestätigen können.
Die Süddeutsche Zeitung und persönlich.com zitieren aus einer Stellungnahme der Tamedia-Geschäftsleitung, in Person von Andreas Schaffner und Mathias Müller von Blumencron, an die Belegschaft vom Sonntag. Darin heißt es demnach: Nach Abschluss der Untersuchung bei Tamedia habe sich herausgestellt, "dass sich ein erheblicher Teil der Vorwürfe, insbesondere der Vorwurf sexueller Belästigung, nicht bestätigen ließ". Die publizistische Leistung der Magazin-Redaktion "war und ist hervorragend". "Das kann für uns indes niemals der alleinige Massstab sein. Es kommt uns genauso darauf an, wie wir zusammenarbeiten. Respekt, Wertschätzung und eine darauf beruhende Führungskultur sind essenzielle Prinzipien unseres Hauses. Die konsequente Durchsetzung dieser Prinzipien ist für uns eine der wichtigsten Aufgaben", steht in der internen Mitteilung.
Man habe sich sowohl von Finn Canonica als auch - "aufgrund der Untersuchung" - von Anuschka Roshani getrennt. "Viele ihrer Vorwürfe erwiesen sich als nicht haltbar. Wir haben uns um Transparenz und Gerechtigkeit bemüht. Wir haben beide Parteien über den Inhalt des Untersuchungsberichtes informiert. Obwohl es für uns von Vorteil gewesen wäre, hatten wir uns aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes bisher gegen eine Veröffentlichung entschieden", schrieben Schaffner und Müller von Blumencron. Angesichts des öffentlichen Interesses hätten sie sich nun entschlossen, die Zusammenfassung des Berichts den Mitarbeitenden zugänglich zu machen.
In der internen Mail an die Mitarbeitenden heißt es weiter: "Wir sind uns bei Tamedia bewusst, dass es in der Vergangenheit Versäumnisse gegeben hat und dass die Aufklärung in diesem Fall zu lange gedauert hat. In einer Führungskultur, die wir im Verlag erwarten, hätte es erst gar nicht zu einem solchen Konflikt kommen dürfen. Unter den Vorfällen hat sowohl die Arbeitsatmosphäre als auch die Unternehmenskultur gelitten. Wir bedauern das ausdrücklich." In der jüngsten Vergangenheit seien "durch euer Engagement und aufgrund eurer Kritik gemeinsam Veränderungen angeschoben" worden.

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