RTL behält die großen G+J-Marken - baut aber 500 Stellen am Hamburger Baumwall ab

07.02.2023
 

Die Karten liegen auf dem Tisch: RTL Deutschland stellt sein Publishing neu auf, konzentriert sich auf "Kernmarken" wie stern, GEO, Capital, Brigitte, Gala, Schöner Wohnen. Zahlreiche G+J-Titel werden verkauft oder eingestellt. Insgesamt sind 700 Stellen betroffen. Wie RTL-Chef Thomas Rabe die drastischen Schritte begründet.

Thomas Rabe, Vorsitzender der Geschäftsführung von RTL Deutschland, erklärt die Neuaufstellung des Publishing-Geschäfts:

"Vor dem Hintergrund der sich rasch verändernden Medienlandschaft und der herausfordernden gesamtwirtschaftlichen Lage haben wir in den vergangenen Monaten das Publishing-Geschäft von RTL Deutschland eingehend überprüft. Wir haben entschieden, uns auf die Kernmarken zu konzentrieren und sie mit Investitionen von etwa 80 Millionen Euro bis 2025 weiterzuentwickeln. Unser Ziel ist es, die führende Position und publizistische Relevanz von RTL Deutschland weiter zu stärken."

Rabe weiter: "Der Verbund von TV-, Streaming- und Publishing-Geschäften von RTL Deutschland macht Sinn. Er schafft einen erheblichen Mehrwert von etwa 75 Millionen Euro jährlich in so wichtigen Bereichen wie Inhalte, Vermarktung, Tech & Data sowie bei den Corporate-Funktionen. Wir bieten unseren Kunden und Partnern durch die enge Verzahnung unserer Marken und Programme eine crossmediale Reichweite, mit der wir nahezu jeden deutschen Haushalt erreichen."

Der Reihe nach: Welche Marken bleiben bei RTL Deutschland?

RTL Deutschland fokussiert sich auf die Kernmarken, die insgesamt etwa 70 Prozent der heutigen Publishing-Umsätze ausmachen. stern, Geo, Capital und stern Crime werden "aufgrund der großen Synergien mit den RTL-TV-Redaktionen" künftig in der RTL News GmbH geführt.

Brigitte, Gala, Schöner Wohnen, Häuser, Couch, Eltern (Digital), Chefkoch (Digital), GEOlino und GEOlino mini verbleiben in der Gruner + Jahr Deutschland GmbH und verschiedenen Tochtergesellschaften. Sie sollen punktuell mit den TV- und Streaming-Geschäften von RTL Deutschland zusammenarbeiten.

Welche Marken gibt RTL Deutschland auf bzw. ab?

Alle weiteren Titel und Ableger ("Line Extensions") außer den oben genannten werden verkauft oder eingestellt. Das heißt, dass Zeitschriften wie Geo Saison, Geo, Wissen, Geo Kompakt, Geo Epoche genauso vom Markt verschwinden wie View, Hirschhausen Gesund leben, Barbara und Guido. Insgesamt sind es 23 Titel. Chefkoch und Eltern erscheinen nicht mehr gedruckt.

Thomas Rabe sagte dazu der dpa: "Viele der Titel sind Ableger. Wir können uns nicht vorstellen, diese zu verkaufen, wenn wir die Kernmarken Geo und Brigitte behalten. Sonst wäre eine einheitliche Markenführung nicht möglich.

Über den Verkauf der Beteiligung an der Deutschen Medien-Manufaktur (DMM) will RTL Deutschland "vertrauensvolle Gespräche mit dem Mitgesellschafter Landwirtschaftsverlag Münster aufnehmen". Zum Kreis gehören Zeitschriften wie Landlust, essen & trinken, Living at home und Flow. Auch für die Beteiligung an 11 Freunde wird ein Verkauf geprüft. Business Punk, Art, PM und seine Ableger Salon und Beef könnten ebenso den Besitzer wechseln.

Rabe zum aktuellen Stand: "Es hatte Interessensbekundungen gegeben – mündlich und schriftlich. Es gab aber keinerlei Sondierungs- oder Verkaufsgespräche, geschweige denn Angebote. Wir werden in den nächsten Wochen mit Gesprächen beginnen." Man wolle zunächst mit Betriebsrat und den Mitarbeitern sprechen. "Dann werden wir in aller Ruhe in den nächsten Wochen den Markt sondieren und sehen, wer sich für welchen Titel wirklich interessiert und in welcher zeitlichen Schrittfolge wir die Titel abgeben."

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Wieviele Stellen werden abgebaut, wo wird gespart, was ändert sich am Standort?

RTL Deutschland will im Zuge der Neuaufstellung die Kosten in allen Bereichen senken, insbesondere bei den Corporate-Funktionen, der Corporate-IT, den Räumlichkeiten, im Publishing und den Redaktionen. Dabei werden rund 500 Stellen am Standort Hamburg abgebaut. Außerdem würden etwa 200 Stellen durch den geplanten Verkauf von Titeln auf neue Eigner übergehen. Mit dem Wegfall von rund 700 Stellen wäre das mehr als jede dritte der 1.900 Vollzeitstellen im Zeitschriftensegment, die vorwiegend in Hamburg angesiedelt sind.

Rabe: Der weit überwiegende Teil des Stellenabbaus betreffe Hamburg und sei nicht im redaktionellen Bereich, sondern in Verwaltungsbereichen geplant. Hinzu kommen etwa 200 Stellen, die durch den geplanten Verkauf auf neue Eigner übergehen würden.

"Die Publishing-Geschäfte von RTL Deutschland sollen wie heute "überwiegend am Standort Hamburg" verbleiben. Es finde mit Ausnahme der Corporate-Funktionen keine Verlagerung von Stellen statt. RTL plant, bis spätestens Ende 2024 mit dem Publishing-Geschäft neue Räumlichkeiten in Hamburg zu beziehen.

Im nächsten Schritt sollen gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretungen sozialverträgliche Lösungen für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickelt werden.

Rabe betonte, wie der Spiegel berichtet, dass es ihm sehr leid tue, dass es in den vergangenen Wochen zahlreiche Fehlmeldungen und wilde Spekulationen gegeben habe. Der Konzern habe jedoch beschlossen, darauf nicht zu reagieren. 

Wo genau will RTL Millionen ins Publishing investieren?

Die Investitionen in die Transformation und den Ausbau des Publishing-Geschäfts von 80 Millionen Euro bis 2025 sollen insbesondere auf digitale Bezahlinhalte sowie digitale Dienstleistungen entfallen. Sie verteilen sich mit 30 Millionen Euro auf stern+, 30 Millionen Euro auf die übrigen Kernmarken sowie 20 Millionen Euro auf neue Räumlichkeiten. stern+ soll als Bezahlangebot starker Marken mit komplementären Inhalten im Verbund von stern, GEO, Capital und stern Crime "massiv ausgebaut" werden.

Wie geht es G+J wirtschaftlich?

2022 habe das alte Gruner + Jahr noch ein operatives Ergebnis (EBITA) von gerade mal einer Million Euro erwirtschaftet, wird Rabe vom Spiegel zitiert. Für 2023 erwartet er ein Minus von mehr als 20 Millionen Euro, der Jobabbau kostet erst mal Geld. Daran würden auch die nun angekündigten Maßnahmen nichts ändern, so Rabe. "Das wird sicherlich ein, zwei Jahre brauchen, bis wir wieder nachhaltig in der Gewinnzone sind."

Hintergrund: In den vergangenen Wochen hatten die G+J-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen lauthals gegen die Zerschlagung ihres Verlags demonstriert. Auf seine Entscheidungen hätten die Proteste jedoch keinen Einfluss gehabt, sagte Rabe laut Spiegel, "da wir schon vor Wochen den Entschluss gefasst hatten, den Kern des Portfolios zu behalten". Der Erhalt der Titel habe auch damit zu tun, dass man Verbundeffekte in der Vermarktung nicht verlieren wolle.

RTL Deutschland beschäftigt bislang rund 1.500 Journalistinnen und Journalisten. Für das Unternehmen mit Hauptsitz in Köln und 17 weiteren Standorten, v.a. Hamburg und Berlin, arbeiten bislang 7.500 Mitarbeiter.

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Ihre Kommentare
Kopf

R. Hahn

07.02.2023
!

Hamburg blutet ! Print erkrankt ! Journalismus stirbt !

"Sackschwach!" - ein Begriff der es am besten ausf den Punkt bringt. Es war einer der ersten Begriffe welchen ich mir vor rund 25 Jahren bei der Ankunft in der Schweiz bewahrt habe.

Aber eben, "der Fisch stinkt vom Kopf her"...

Wünsche den wahren Machern und Kollegen, und der Elbmetropole eine Zukunft. Also. einen guten Arzt, keinen Totengräber.


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