Der kuriose Streit zwischen Ströer und Manager Magazin

 

Ströer-CEO Udo Müller hat gegen die Berichterstattung des Manager Magazins geklagt und eine empfindliche Niederlage einstecken müssen. Danach passierte etwas Ungewöhnliches: Das MM wechselte in den Angriffsmodus und klagte ebenfalls - und zwar gegen den Ströer-Chef persönlich. Aus kress pro.

Auszug aus dem "Fall des Monats" im neuen kress pro - Magazin für Führungskräfte in Medien:

Die Geschichten, die das Manager Magazin" (MM) über Ströer in den vergangenen Jahren so aufgeschrieben hat, kann man auch mit viel Wohlwollen nicht als Ausgangspunkt einer wunderbaren Freundschaft ansehen. So ging das Wirtschaftsmagazin Ströer (Umsatz 2021: 1,63 Milliarden Euro) vor zwei Jahren hart an: "Die fiesen Tricks der Werbefirma Ströer - Mit Finten am Rande des Regelwerks haben Großaktionäre und Management aus einer mittelständischen Werbefirma einen Börsenstar geformt. Das böse Erwachen könnte bald kommen." Mit diesem Wortlaut verkauft MM die Story heute digital.

Das Werbe- und Digitalunternehmen (u.  a. T-Online) mit Sitz in Köln fand die Darstellung mit dem Ursprungstitel "Digital-Guerilla" schlicht rechtswidrig und forderte Unterlassungen an mehr als 34 Stellen. Das Landgericht in Hamburg verbot per einstweiliger Verfügung neun Stellen. Zusätzlich verpflichtete sich das "Manager Magazin" ohne gerichtliche Weisung, weitere 11 Passagen nicht mehr zu verbreiten.

Das Problem von Ströer: Den Grund-Charakter des Artikels veränderte das alles trotz der zahlreichen Textpassagen nicht. Also zog das Unternehmen vor das Landgericht in Köln und klagte die restlichen 14 Stellen ein, die die These des Artikels wirklich erschüttert hätten.

So schreibt MM beispielsweise, dass sich die Verschuldung von Ströer von 303 Millionen Euro (im Jahr 2012) auf 1,55 Milliarden Euro (2019) erhöht habe. Ströer argumentierte vor Gericht, dies sei falsch, weil sich die Rechnungslegungsstandards in dieser Zeit deutlich verändert hätten. Motto: Beide Zahlen seien überhaupt nicht vergleichbar, die Verschuldung sei je nach Kennzahl sogar gefallen.

MM erwiderte, die neuen Regeln hätten ja gerade den Sinn, die Bilanzierung realistischer zu machen und Schönungen von Bilanzen zu verhindern.

Die Richter folgten in diesem und allen anderen Punkten der Argumentation des Magazins. Im Sommer kassierte Ströer, vertreten durch Gernot Lehr (von der Kanzlei Redeker Sellner Dahs), eine krachende 0:14-Niederlage. Keine einzige Passage verbot das Gericht

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Jetzt passierte etwas Ungewöhnliches. Das "Manager Magazin" wechselte in den Angriffsmodus und klagte ebenfalls, und zwar gegen den Ströer-CEO Udo Müller persönlich. Das Landgericht in Köln entschied Ende Januar im Rahmen einer "negativen Feststellungsklage", dass der Topmanager keinen Anspruch auf die Zahlung einer Geldentschädigung von 60.000 Euro hat. Diese hatte Müller ursprünglich gefordert, weil das "Manager Magazin" ihn mit Wirecard-CEO Markus Braun verglichen hatte.

MM hat jetzt klipp und klar festhalten lassen, dass dieser Anspruch nicht besteht, obwohl man für die Aussage selbst bereits eine Unterlassung abgegeben hat. Offenbar ging es dem Magazin darum, diese Art von Geldentschädigungen auch für künftige Verfahren ein für alle Mal abzuwehren.

Für die Branche ist das eine gute Nachricht, denn Unternehmen und Manager hätten andernfalls die Möglichkeit, Medien mit hohen Geldentschädigungen unter Druck zu setzen.

Weder "Manager Magazin" noch Ströer wollten die Fragen von "kress pro" zu dem Fall beantworten. Im März folgt die nächste Runde vor dem Oberlandesgericht in Köln. Ströer ist gegen die empfindliche 0:14-Niederlage vor dem Landgericht in Berufung gegangen.

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