„Impulse“ gibt seinen Mitarbeitern ungewöhnlich viele Freiheiten. Chefredakteurin Nicole Basel sagt, wie sie den Rahmen dafür schafft und wo die Grenzen liegen.
Der NDR veröffentlicht die gefälschten Hitler-Tagebücher von 1983 in einer kritischen Ausgabe mit wissenschaftlichen Kommentierungen des Politikwissenschaftlers Professor Hajo Funke von der FU Berlin. Sie stehen ab Donnerstag, 23. Februar, 18 Uhr, online auf NDR.de. Dem NDR ist es nach eigenen Angaben gelungen, die kompletten 60 Bände der "Hitler-Tagebücher" lesbar und auch recherchierbar zu machen.
"Mit Hilfe einer Künstlichen Intelligenz konnte die gefälschte Handschrift Hitlers in ein Transkript übersetzt werden. Damit wird erstmals in vollem Umfang deutlich, in welcher Absicht die Fälschungen verfasst wurden und wie der Stern bereit war, die NS-Geschichte neu zu deuten und zu verharmlosen", heißt es beim NDR.
Für den Politikwissenschaftler Prof. Hajo Funke von der FU Berlin, der für den NDR die "Tagebücher" gelesen und das Projekt wissenschaftlich begleitet hat, liegt ein klarer Akt von Geschichtsfälschung vor: "Diese Tagebücher sind Ausdruck von Holocaustleugnung. Das ist eindeutig. Sie wollten Hitler von den schlimmsten Verbrechen der Nazis freisprechen", so Funke. Die Historikerin Heike Görtemaker, die ebenfalls Teil des wissenschaftlichen Beirats war, unterstreicht die massive historische Umdeutung gegenüber dem NDR: "Der fiktive Hitler hat mit nationalsozialistischen Gewaltverbrechen nichts zu tun. Er ist sogar derjenige, der versucht, andere seiner Parteigenossen im Zaum zu halten", so Görtemaker. "Kujau erfindet hier eine positive Hitlerfigur."
"Hitler wusste angeblich nichts vom Holocaust. Das ist die zentrale Erzählung der gefälschten 'Hitler-Tagebücher', heißt es beim NDR. Bislang heute liegen die Originalbände der "Tagebücher" gesperrt im Safe bei Gruner + Jahr. Dem Projekt des NDR liegen Kopien der Tagebücher zugrunde.
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Weiter erklärt der NDR: "An zahlreichen Stellen erzählt die Fälschung, die der Stern 1983 Zug um Zug als historische Wahrheit veröffentlichen wollte, wie sich ein vermeintlicher Hitler um eine wohlwollende Lösung für die Juden einsetzt. So schreibt der vermeintliche Hitler am 31. Juli 1941, man solle die Juden zur schnellen Auswanderung bewegen oder ihnen 'einen sicheren Landstrich in den besetzten Gebieten suchen, wo sie sich selbst ernähren und verwalten können.' Zu diesem Zeitpunkt war der Holocaust längst von den Nazis radikal entfesselt. Damit wird deutlich, was der Stern 1983 damit meinte, 'die Geschichte des Dritten Reiches wird in großen Teilen neu geschrieben werden müssen.'"
Mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz sei es möglich gewesen, die Fälschungen erstmals auch vollständig nach Schlagworten zu durchsuchen. Dabei zeige sich, dass alle Begriffe des Holocaust nicht vorkommen. Schlagwörter wie "Endlösung", "Gaskammer" oder Hinweise auf die Vernichtungslager Auschwitz, Sobibor, Majdanek oder Treblinka fehlten vollständig.
Laut NDR-Recherchen ist der Fälscher der "Hitler-Tagebücher", Konrad Kujau, tiefer in ein neonazistisches Umfeld verstrickt als bislang bekannt.
Der Stern habe sich ich auf Anfrage nicht zu den neuen Recherchen geäußert, so der NDR. Man betone beim Stern lediglich, dass man die Originale der Tagebücher nie für die Öffentlichkeit freigegeben habe, um "Missbrauch zu verhindern".
Hintergrund: Die vollständige Recherche ist das Thema in "Reschke Fernsehen", am Donnerstag, 23. Februar, ab 18 Uhr in der ARD Mediathek und um 23.35 Uhr in Das Erste.
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