"Mit Castor - meinem Krebs - und mir, das ist für mich wie Schach. Wir, mein bösartiger Begleiter und ich, haben uns jetzt nach drei knallhart umkämpften OP-Partien zunächst auf ein Remis geeinigt. Ich bin aktuell krebsfrei. Castor hat sich irgendwo unter seiner Tarnkappe verkrochen. Ich verzichte derweil auf weitere fiese Chemo-Attacken, deren beißenden Geschmack ich jetzt noch oft im Mund schmecke - wie auch den von Nitro und anderem ekeligen Zeugs ... So ein überraschendes Remis - das ist gar nicht so übel. Denn Castor führte die weißen Steine, ich die schwarzen; er war also im Vorteil. Jetzt eröffne ich mit Weiß. Bin zuerst am Zug. Zieh dich warm an, mieser Bursche!"
Diese Zeilen mit Anklängen an die griechische Mythologie verfasste der studierte Historiker Damian Imöhl in einem Editorial Ende Dezember 2020, als er noch Chefredakteur der Schwäbischen Post und Gmünder Tagespost war. In dem Text kündigte Imöhl auch seinen Abschied bei den Tageszeitungen der SDZ Druck und Medien an.
"Eigentlich hat eine Weihnachtsbaumeinwickelmaschine mein Leben gerettet. Ich hatte mal wieder keine Zeit. Aber für ein originelles Spendenfoto krabbelte ich dann doch in das Wortungetüm mit 31 Buchstaben. Dabei knackte der Blinddarm auf, in dem der bis dahin unentdeckbare Tumor sich so lange versteckt hatte. Nur deshalb darf ich diese Zahlen schreiben. Ein Zufall. Glück. Zwei Tage später starke Schmerzen bei einem Uni-Vortrag. Not-OP. Dann Krebs-Diagnose. Dreimal durch die Hölle, bis Erzengel Dr. Gabriel vor mir stand. Am Ostersamstag 2020. Unvergessen. Für immer. Der 11. April 2020. Mein zweiter Geburtstag. Ich lebe. Voller Optimismus, Gottvertrauen und meiner unkaputtbaren Fröhlichkeit. Bäume kann ich auch wieder ausreißen. Auch wenn ich erst mal mit Bonsais beginnen musste... Nun, es tut mir weh und zerreißt mich, das schreiben zu müssen, weil ich auf der Ostalb und im Remstal meinen Traum leben durfte. In jeder Beziehung. Kurz und knapp: Dies sind meine letzten Zeilen als Ihr Chefredakteur von SchwäPo und Gmünder Tagespost, der Sie alle und diese wunderschöne Heimat in sein großes Westfalenherz geschlossen hat."
Damian Imöhl nahm im Jahr 2021 eine Auszeit und ging dann im Januar 2022 als Chefredakteur zum Generalanzeiger nach Reutlingen. Am Gründonnerstag ist Damian Imöhl nun gestorben. Weggefährten gedenken dem Journalisten.
Christoph Fischer, ehemaliger Chefredakteur beim Reutlinger Generalanzeiger, geht in seinem Nachruf auf die Stationen seines Vorgängers ein: "Chefreporter bei Bild, weltweit unterwegs, aber heimatverbunden, Bochum, das Ruhrgebiet, das Sauerland waren seins, ein Junge aus dem Leben, voller Lebensfreude und ansteckender Energie, irgendwann Stellvertretender Chefredakteur beim Express und dann Leitender Redakteur bei der Schwäbischen Post auf der Ostalb. Aalen wurde sein neues Zuhause, er konnte mit den Schwaben. Nie war er ausschließlich einer vom Boulevard, dafür war er viel zu sensibel, aber er war es gern, leidenschaftlich bildete er junge Journalistinnen und Journalisten aus."
Das Lokale sei schließlich für den Weitgereisten wesentlicher Inhalt geworden, er habe um die Zukunft der Regionalzeitung gekämpft, "von morgens früh bis abends spät", so Fischer.
Beim Reutlinger General-Anzeiger habe Imöhl nur eine kurze Amtszeit gehabt, "weil sich seine Krankheit erbarmungslos Ende letzten Jahres zurückmeldete". "Und Damian kämpfte wieder, unbeirrbar, trotzig, gegen die schwindenden Kräfte, gegen die Medikamente." Imöhl sei einer aus dem prallen Leben gewesen, er habe gern und intensiv gelebt, trotzdem klare Kante, wie das in Westfalen üblich sei, so Christoph Fischer in seinem Nachruf.
Lars Reckermann, Chefredakteur der Schwäbischen Post & Gmünder Tagespost, erinnert sich an einen "Journalisten mit Herzblut":
"Guter, ehrlicher Journalismus, ganz nah am Leser, eigentlich immer auf Tuchfühlung ... Damian Imöhl liebte und lebte seinen Beruf in vollen Zügen. Ob im Ruhrgebiet, in Berlin, in Köln, auf der Ostalb oder zuletzt in Reutlingen - wenn er die Welt beschreiben oder über die Welt schreiben konnte, wenn er mittendrin mit Leserinnen und Lesern Aktionen machen konnte, dann war Damian Imöhl in seinem Element. Er war immer der Reporter zum Anfassen. Von 2016 bis Ende 2020 war er der Chefredakteur der Schwäbischen Post und Gmünder Tagespost. Den Ostalbkreis schloss er sofort in sein Herz. Der studierte Historiker liebte diese geschichtsvolle Region, die offenen Menschen hier."
Bei Bild, wo Imöhl zunächst als Redakteur, dann als Chefreporter und Redaktionsleiter Ruhr wirkte, heißt es:
"Wer ihn kannte, vergisst ihn nie. Die Tageszeitung, so seine Sicht, sei ein 'verfressenes Ungeheuer', das jeden Morgen neue Nahrung bräuchte. Dieses Ungeheuer mutig zu füttern, war seine größte Leidenschaft. Er hatte Antennen so lang wie die Sauerlandlinie. Sein Witz war scharf und oft schmutzig wie ein Bergmannsmesser - aber immer lustig. Intellektueller Geist, sensibles Gefühl und tiefer Glauben prägten den Menschen Damian Imöhl und alle, die mit ihm das Ungeheuer füttern durften."
Auch auf der Seite Ruhrbarone nehmen viele Kollegen von Imöhl Abschied.
Imöhl selbst schrieb in seinem letzten Beitrag für die Schwäbische Post:
"Leben Sie wohl, liebe Verbündete! Castor und Pollux, die mutigen, legendären Brüder, sie strahlen weiter am Himmel. Und jeder von uns ist ein Löwenherz wie sie. Jeder kann das fühlen. Glauben Sie mir. Hand drauf. Spüren Sie es?"

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