"Spekuliert werden darf, wer von der für Döpfner vernichtenden Veröffentlichung profitiert. Ist es die kalte Rache des Julian Reichelt? Danach könnte es aussehen, eingedenk der Tatsache, dass etliche der zitierten Chats solche zwischen ihm und Döpfner sind, von denen man nicht annehmen muss, dass sie für einen größeren Kreis gedacht waren", schreibt Michael Hanfeld in seinem FAZ-Artikel Döpfner, das Doppel-D:
Am Ende werde es darauf ankommen, so Hanfelds Schlussfolgerung, wie der Finanzinvestor KKR und der kanadische Pensionsfonds CPPIB als (neben Friede Springer und Döpfner selbst) größte Springer-Teilhaber denken. Und: welchen Reim sich Friede Springer darauf mache, die Mathias Döpfner nicht nur als Ziehsohn und Erben ihres verstorbenen Mannes Axel Cäsar Springer betrachte, sondern Döpfner zu Mister Springer gemacht habe.
Auf Geisterbahnfahrt durch die Gedankenwelt von Mathias Döpfner nennt Stefan Niggemeier seinen Kommentar bei Übermedien auf die Döpfner-Enthüllungen in der Zeit. Niggemeier findet es zwar "schockierend, in so geballter und kondensierter Form und in seinen eigenen Worten zu lesen, von wie viel Verachtung Döpfner getrieben ist, wie sehr er sich radikalisiert hat, wie schamlos er die Bild-Zeitung für seine politischen Zwecke genutzt haben soll". Aber wirklich überraschend sei das Bild, das dabei von ihm und seiner Gedankenwelt entstehe, nicht.
Auch Niggemeier geht der Quellenfrage nach:
"Die Veröffentlichung der zahlreichen internen oder privaten Nachrichten Döpfners ist ein Scoop für die Zeit. Aber sie ist wohl auch ein Coup für Julian Reichelt. Es ist schwer vorstellbar, wer außer ihm hinter dem Leak stecken sollte - ein größerer Teil der Nachrichten scheint an ihn gerichtet gewesen zu sein. Und die Weitergabe der Kommunikation würde Sinn ergeben in dem gerade eskalierenden Streit zwischen ihm und seinem ehemaligen Arbeitgeber."
Niggemeier wird noch deutlicher: "Ich weiß nicht, was die tatsächliche Quelle ist, aber der Eindruck entsteht: Reichelt fackelt jetzt alles ab." Die Nachrichten sollen Döpfner schaden. Für Niggemeier zeigen sie, wie sehr er mit Reichelt politisch-publizistisch auf einer Linie lag, wie sehr der Vorstandschef den ohnehin schon radikalen Chefredakteur noch angestachelt und angefeuert hat.
Womöglich werde bei Axel Springer nach der Zeit-Geschichte "nichts passieren", glaubt Niggemeier. Es sei unklar, ob es jemanden gebe, der Döpfner aus dem Medienunternehmen, das ihm weitgehend gehöre, herausdrängen könne - oder dies überhaupt wolle. "Vielleicht ist das einzige, das sich jetzt ändert, dass sich jetzt endgültig niemand mehr Illusionen machen kann über Döpfners Gedankenwelt und das Ethos seines Verlages", konstatiert Niggemeier bei Übermedien.
t-online-Chefredakteur Florian Harms fragt sich: "Welcher Mathias Döpfner ist denn nun der echte? Der aus den zahlreichen Nachrichten an den Chefredakteur und andere Vertraute oder der aus dem eiligen Rechtfertigungstext?" Das sei nach den monatelangen Querelen im Springer-Verlag selbst bei bestem Willen nicht mehr zu beantworten. Ob die Miteigentümer, darunter der Finanzinvestor KKR, noch durchblicken? "Das ehemals einflussreichste Medienhaus Deutschlands ist zu einem Tollhaus verkommen. Und das Problem sitzt an der Spitze", so Harms Fazit.
"Es sind Entscheidungstage für den Journalismus, für den Springer-Verlag selbst, für eine kritische Öffentlichkeit", schreibt der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen zur Debatte um die Chataussagen von Mathias Döpfner, die die Zeit veröffentlicht hat.
Gegenwind für die Zeit-Autoren Cathrin Gilbert und Holger Stark gibt es auf Cicero.de: Mathias Brodkorb (SPD) schreibt in seinem Kommentar mit dem Titel Tendenzartikel gegen Tendenzvorstand:
"In einem Bericht werfen zwei Autoren der Zeit dem Springer-Chef Mathias Döpfner Aktivismus statt Journalismus vor und brechen gleichzeitig selbst mit journalistischen Standards. Was nicht ins Bild passt, wird weggelassen - und der Rest notfalls passend gemacht."
In den Zitaten, die die Zeit samt den darin enthaltenen Rechtschreibfehlern in ihrem Text aufführt, geht es auch um abfällige Bemerkungen über Ostdeutschland. 2019 soll der Konzernchef laut dem Zeitungsbericht geschrieben haben: "Die ossis werden nie Demokraten. Vielleicht sollte man aus der ehemaligen ddr eine Agrar und Produktions Zone mit Einheitslohn machen."
Die Passagen zu Ostdeutschland führten prompt zu kritischen Reatkionen bei Politikern. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, forderte gar die Ablösung des Springer-Chefs. "Herr Döpfner ist nach dieser Veröffentlichung an der Spitze eines Verlages mit dieser publizistischen Macht und mit Blick auf die wichtige Rolle der Medien für unsere Demokratie endgültig nicht mehr tragbar", sagte der SPD-Politiker dem Nachrichtenportal t-online.
Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) äußerte sich auch bei t-online und warf Döpfner vor, die deutsche Einheit geistig nie vollzogen zu haben - jede seiner Zeilen lebe den Geist der Spaltung.

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