Erstaunlich: Verleger Holger Friedrich informiert Springer über vertrauliche Dokumente, die ihm Julian Reichelt angeboten habe

27.04.2023
 

Und es geht weiter: Holger Friedrich, Verleger der Berliner Zeitung, will von Julian Reichelt vertrauliche Dokumente aus dem Springer-Kosmos bekommen haben. Friedrich lehnte es ab, sie zu veröffentlichen - und informierte den Konkurrenten Springer.

Will da einer Döpfner schützen? Ist ihm Quellenschutz nicht wichtig, wenn er Reichelt als den Informanten gegenüber Springer benennt? Was will er damit erreichen? Und wie rechtfertigt er das ungewöhnliche Vorgehen? Mit diesen Fragen hat das manager magazin den Verleger Holger Friedrich kontaktier.

"Richtig ist, dass mir als wirtschaftlich Verantwortlichem des Berliner Verlages vertrauliche Informationen des Konzerns Axel Springer SE, konkret Vorstandskommunikation und private Kommunikation von Axel-Springer-Mitarbeitenden, zugeleitet wurde. Ich habe entschieden, sie nicht zu verwenden, weil dies gegen Persönlichkeitsrechte und weitere professionelle Standards verstoßen hätte. Es wäre schlicht rechtsmissbräuchlich gewesen", sagt Friedrich im Interview mit Martin Noè und Katharina Slodczyk im manager magazin.

Laut dem Berliner Zeitung-Verleger sind die Informationen insbesondere für junge und weibliche Mitarbeiter bei Axel Springer unangenehm gewesen.

"Unsere professionellen Standards haben mich dazu bewogen, die Axel Springer SE über den Sachverhalt zu informieren", betont Holger Friedrich im manager magazin-Gespräch. Der Medienmanager sagt weiter, dass er "vertrauliche Informationen" von Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt erhalten habe. Diese hat Friedrich nach eigener Aussage an die Redaktion der Berliner Zeitung im Verlag weitergeleitet. Die Redaktion habe dann unabhängig von ihm entschieden, das Material nicht zu veröffentlichen, so Friedrich im manager magazin-Gespräch.

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Friedrich beschreibt seine ungewöhnliche Haltung so: "Wir würden jederzeit und immer wieder so handeln, weil ich erwarten würde, dass man auch mit uns so umgeht, wenn ein Mitarbeitender des Berliner Verlages mit privaten persönlichen Informationen aus dem Berliner Verlag bei anderen Verlagshäusern hausieren gehen würde. Das sind Standards, die in anderen Industrien selbstverständlich sind, etwa in der Finanz- oder Automobilindustrie."

Zur Erinnerung: Axel Springer hat vergangenen Woche eine Klage vor dem Arbeitsgericht gegen Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt eingereicht und eine Strafanzeige gestellt. Springer wollte sich gegenüber dem manager magazin nicht dazu äußern, welche Rolle das Vorgehen von Friedrich im Rechtsstreit mit Reichelt gespielt hat. Und Reichelt und dessen Anwalt sollen nicht auf die Anfrage des manager magazins reagiert haben, ob Reichelt vertrauliche Informationen an Friedrich und den Berliner Vertrag geliefert hatte, so die Darstelltung des manager magazins.

Reichelts Rechtsanwalt Ben Irle hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt:

"Nach umfassender Prüfung der meinen Mandanten belastenden Sachverhaltsdarstellungen im Rahmen der Zivilklage einer Bild-Mitarbeiterin und deren inhaltlichen Abgleich mit mir vorliegenden Chat-Verläufen erweisen sich wesentliche Behauptungen dieser Mitarbeiterin als frei erfunden und damit als unwahr. Diese unwahren Behauptungen betreffen hierbei auch den schwersten aller gegen meinen Mandanten erhobenen Vorwürfe, nämlich des 'Sex-on-demand'. Es waren die Vorwürfe dieser Mitarbeiterin, auf die der Großteil der Medienberichterstattung über angeblichen Machtmissbrauch meines Mandanten Bezug nahm."

Aus Irles Sicht bedürfen nicht nur die gegen seinen Mandanten erhobenen Vorwürfe, sondern auch die Durchführung der Compliance-Untersuchung selbst und der Umgang Springers mit diesen Vorwürfen und dem Thema "Machtmissbrauch" generell einer völlig neuen Bewertung.

Verleger Holger Friedrich kann sich im Interview mit dem manager magazin einen Seitenhieb auf die Kollegen der Wochenzeitung Zeit nicht verkneifen: Für ihn ist fraglich, inwieweit es den journalistischen Qualitätsstandards entspreche, wenn man die private persönliche Kommunikation eines Vorstandsvorsitzenden veröffentliche. Gemeint ist Springer-Chef Mathias Döpfner. So ein Vorgehen hat aus Friedrichs Sicht bestenfalls Unterhaltungswert und gehöre in die Yellow Press. In der seriösen Presse habe es nichts verloren. 

Friedrich wird noch deutlicher: "Die Nachrichten, die die Zeit veröffentlicht hat, sind aus dem Zusammenhang gerissen, sie dienen also nicht der Aufklärung, und ihre Veröffentlichung verletzt die Persönlichkeitsrechte."

Der IT-Unternehmer, der 2019 überraschend ins Mediengeschäft einstieg, ist sich sicher, dass Dinge, wie sie in der Bankbranche üblich sind, auch im Mediensektor gelten sollten; dass nicht nur Finanzströme, sondern auch der Informationsfluss geregelt werden muss, der Umgang mit vertraulichen Informationen. Friedrich möchte nicht in einer Welt leben, in der private Informationen von exponierten Personen öffentlich werden. 

Eine Debatte darüber will Friedrich jetzt anstoßen. "Wir müssen über den schmalen Grat zwischen Aufklärung und Denunziation sprechen. Wir müssen auch über Privatsphäre diskutieren, den geschützten Raum", sagt er im Gespräch mit Martin Noè und Katharina Slodczy.

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