Georg Mascolo will Branche im Fall Holger Friedrich wachrütteln

08.05.2023
 

Die Debatte um den "Springer-Informanten" Holger Friedrich ist für Georg Mascolo bisher irritierend klein. Wenn es um Springer und Reichelt gehe, "klebt überall der Schlamm", so Mascolo in der SZ. Indes hat der Presserat im Fall Friedrich ein Verfahren wegen Bruchs des Berufsgeheimnisses eingeleitet.

Georg Mascolo, der ehemalige Spiegel-Chefredakteur und langjähriger Leiter des Rechercheverbunds des NDR, WDR und SZ, stört sich daran, dass das Abrutschen von Deutschland im weltweiten Index von Reporter ohne Grenzen in Zeitungen und Nachrichtensendung weit mehr Beachtung gefunden habe, als "eine fast gleichzeitig bekannt gewordene atemberaubende Bedrohung für die Pressefreiheit".

Diese sei aber nicht "von außen" gekommen, sondern von innen, aus dem eigenen Berufsstand und sie habe auch noch  den Kern jenes Schutzversprechens gegenüber allen beschädigt, die sich Redaktionen anvertrauten: "Wenn gewünscht, wird Anonymität gewahrt und um jeden Preis geschützt", erinnert Mascolo in der Süddeutschen Zeitung vom Samstag.

Mascolo spielt auf den erstaunlichen Move des Berliner Zeitung-Verlegers Holger Friedrich an, der den Springer-Verlag über die Kontaktaufnahme von Julian Reichelt informiert hatte.

Viele in Redaktionen und in den Berufsverbänden hielten sich nach Meinung von Mascolo in der Sache zurück. Die Debatte sei irritierend klein. Wenn es um Springer und Reichelt gehe, klebe überall der Schlamm.

Für Mascolo ist der Fall Friedrich auch eine "Prüfung journalistischer Glaubwürdigkeit":  "Zu den Eckpunkten des Regelwerks gehört seit jeher die Ziffer 5, in der es um das 'Berufsgeheimnis' von Journalistinnen und Journalisten geht. Die Ziffer 5 garantiert den Schutz des Informanten, Ausnahmen sind nur vorgesehen, wenn es etwa um ein mögliches Verbrechen geht und die Pflicht zur Anzeige besteht. Dann überwiegt das Wohl der Allgemeinheit. Ansonsten gilt für Journalistinnen und Journalisten - so wie auch für Ärzte und Anwälte - diese Selbstverständlichkeit: Vertraulichkeit wird gewahrt. Es ist eine Garantie. Unumstößlich. Unverrückbar", verdeutlicht Mascolo in seinem SZ-Stück.

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Mascolo rechnet es Holger Friedrich an, das er den Bruch der Vertraulichkeit nicht nur eingeräumt habe, er habe auch versucht ihn in einem Interview mit dem Manager Magazin zu begründen. Friedrich sagte, es gehe ihm darum, über die Grenzen journalistischer Arbeit zu sprechen, "über den schmalen Grat zwischen Aufklärung und Denunziation. Es könne zu einer paranoiden Gesellschaft führen, wenn "jede private Messenger-Nachricht" an die Öffentlichkeit gelangen könne. Er halte sich an Regeln, wie sie in der Finanz- oder Autoindustrie Gültigkeit hätten, und habe deshalb den Mitbewerber Springer informiert. Friedrich forderte eine Debatte, der Fall sei eine "gute Gelegenheit, über unsere Standards in den Medien nachzudenken".

Nach Ansicht von Georg Mascolo trägt keines von Friedrichs Argumenten, nichts überzeuge, irritierend seien die Punkte, die er ausspare. Friedrich habe eine grundsätzliche Regel für sich umgedeutet. "Denn Quellenschutz zu garantieren, muss für jeden in einem journalistischen Unternehmen Tätigen - und allen voran für einen Verleger - Pflicht sein", betont Mascolo. Der von Friedrich angerichtete "Vertrauensschaden" reiche weit über den Einzelfall hinaus.

Mascolo blickt auch auf Springer - und fragt:

"Verwendet nun also ausgerechnet ein journalistisches Unternehmen Informationen gegen Reichelt, über die man nur verfügt, weil die erste Regel des Journalismus gebrochen wurde? Mit Friedrich als entscheidendem Zeugen?"

Indes hat der Deutsche Presserat der SZ auf Anfrage hin mitgeteilt, dass inzwischen ein Verfahren wegen Verstoßes gegen Ziffer 5 des Pressekodexes eingeleitet worden sei. Zwei entsprechende Beschwerden gegen die Berliner Zeitung seien eingegangen.

Die Sprecherin des Presserates, die Juristin Kirsten von Hutten, sagte der Süddeutschen: "Wer seine Informanten schützt, schützt damit auch die Pressefreiheit." Gelte dieser Grundsatz nicht mehr, müsse man befürchten, dass Medien keine Informationen mehr erhalten, die essenziell für die Demokratie sein können. "So ist es", kommentiert Georg Mascolo: "Wenn es um den Schutz der Vertraulichkeit geht, darf der Boden nicht schwanken, sonst gerät Großes in Rutschen." Voraussichtlich bereits im Juni wolle der Presserat den Fall behandeln.

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