Die (selbst-)kritische Abschiedsmail von Steffen Klusmann

 

Steffen Klusmann ist heute nicht mehr in der Redaktionskonferenz des Spiegel erschienen - Dirk Kurbjuweit ist jetzt Chefredakteur. Klusmann ließ es sich aber nicht nehmen, den Kollegen noch ein paar Worte mitzugeben. kress dokumentiert seine Abschiedsmail - bei der Klusmann auch (selbst-)kritische Töne anschlägt.

Der Spiegel meldete am Donnerstagabend, dass Dirk Kurbjuweit neuer Chefredakteur wird. Und zwar ab sofort. Er löst Steffen Klusmann ab, der seit Januar 2019 Chefredakteur des Spiegel war, nachdem er zuvor dieselbe Position beim zur Spiegel-Gruppe gehörenden manager magazin hatte. Davor war er unter anderem Chefredakteur der Financial Times Deutschland, der Gruner+Jahr-Wirtschaftsmedien und stellvertretender Chefredakteur des Stern.

Steffen Klusmann besaß in der Spiegel-Redaktion großen Rückhalt. Nach kress-Recherchen forderten rund 30 Führungskräfte noch am Mittwoch eine Aussprache mit der Geschäftsführung und der Mitarbeiter KG. Es gab auch einen Protestbrief von Spiegel-Redakteurinnen und -Redakteuren.

Nun ist Klusmann raus beim Spiegel. kress dokumentiert seine Abschiedsmail, bei der die Führungskraft auch (selbst-)kritische Töne anklingen lässt:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich habe erst überlegt, heute nochmal in die Konferenz zu kommen und mich dort von euch zu verabschieden. Das schien mir aber doch irgendwie unangebracht. Ab heute übernimmt Dirk, jetzt muss er den Laden zusammenzuhalten, da muss nicht noch der Vorgänger rumgeistern.

Zunächst will ich mich bei euch aus ganzem Herzen für eure Unterstützung bedanken. Ich bin schier geflutet worden mit Mails und SMS, das hat mich echt gerührt. Dass ein SPIEGEL-Chefredakteur von seinen Leuten so geschätzt wird, hätte ich bis vor drei Tagen nicht für möglich gehalten. Danke dafür. Und auch für euren Mut, das alles nicht einfach so zu hinzunehmen.

Wir haben den SPIEGEL in den vergangenen Jahren grundlegend erneuert, ich wünsche euch, dass es dabei bleibt. Dank der vielen Großlagen waren wir publizistisch und ökonomisch so erfolgreich, dass wir es manchmal selbst nicht fassen konnten. Die Zuwächse bei der harten Auflage sprechen für sich. Und auch die hohen Gewinne. Die haben wir jedenfalls nicht dem Anzeigengeschäft zu verdanken.

Ich habe euch in diesen viereinhalb Jahren verdammt viel zugemutet: Ich habe die optischen Abteilungen gequält, bis das letzte Foto und die letzte Infografik saß und das Cover endlich die Typo und den Schriftschnitt hatte, der zur Optik passte. Ich war genervt, wenn Texte zu langatmig waren oder Vorspänne zu lahm, habe spät noch in Leitartikeln rumgefuhrwerkt. Und natürlich habe ich euch von einer Veränderung in die nächste getrieben. Das war für alle enorm anstrengend, und es hat auch einige überfordert.

Ich weiß nicht, ob's ab jetzt ruhiger wird. Ich wünsche euch jedenfalls viel Glück und vor allem Mut für die nächsten Jahre.

Es war mir eine Ehre für und mit euch gearbeitet zu haben. Ihr seid ein unfassbar guter Haufen, und wenn es euch jetzt noch gelingt, dem Laden die letzte Boshaftigkeit auszutreiben, dann seid ihr unschlagbar.

Es gibt natürlich auch eine anständige Abschiedsfeier, zu der lade ich gesondert ein.

Best, s

In der Mitteilung des Spiegel vom Donnerstagabend wurde Klusmann folgendermaßen zitiert:

"Es war mir eine große Ehre, in den vergangenen fast fünf Jahren für die Spiegel-Redaktion gearbeitet zu haben. Wir haben eine ganze Menge gemeinsam erreicht. Zuletzt haben Geschäftsführung und ich in entscheidenden strategischen Fragen allerdings allzu oft keine Einigkeit erzielt - was nun mein Ausscheiden zur Folge hat. Ich wünsche der Redaktion in den kommenden Jahren viel Mut und Geschick, die nötige Kompetenz und Leidenschaft bringt sie ohnehin mit."

Einmal am Tag: Exklusive Storys, Personalien, Debatten & Jobs in unserem kressexpress. Jetzt unseren kostenlosen Newsletter bestellen - und nichts mehr aus der Welt des Publishing verpassen!

Ihre Kommentare
Kopf
Kress Pro Magazin
2023/#04

Wo sich der Einsatz in der Redaktion schon lohnt und was er jetzt kleinen Häusern strategisch rät, sagt Ippen-Digital-Chefredakteur Markus Knall. Plus: Wie andere Top-Digitalköpfe die KI-Herausforderung angehen.

Inhalt konnte nicht geladen werden.