Internet-Manifest erklärt Journalismus: "Das Internet ist anders".

 

Lobo, Niggemeier & Co. machen Journalismus-Manifest: "Das Internet ist der Sieg der Information" Eine Gruppe von Journalisten und Netz-Experten hat am Montag ein "Internet-Manifest" veröffentlicht. "17 Behauptungen" sollen erklären, "wie Journalismus heute funktioniert". In den Thesen heißt es u.a., Medien müssten "ihre Arbeitsweise der technologischen Realität anpassen", den Dialog mit den Nutzern suchen, Links nutzen und Fehler zugeben. Das "Selbstverständnis des Journalismus" werde seiner "Schlüssellochfunktion beraubt", die Grenze zwischen Profis und Amateuren werde aufgehoben. Als Autoren zeichnen u.a. Markus Beckedahl (netzpolitik.org), Sascha Lobo, Robin Meyer-Lucht (Berlin Institute), Stefan Niggemeier und Mario Sixtus (Elektrischer Reporter) verantwortlich. Was das Manifest noch behauptet und wer außerdem mitgeschrieben hat, bitte umblättern.xxxx

Lobo, Niggemeier & Co. machen Journalismus-Manifest:

 

"Das Internet ist der Sieg der Information"

Eine Gruppe von Journalisten und Netz-Experten hat am Montag ein "Internet-Manifest" veröffentlicht. "17 Behauptungen" sollen erklären, "wie Journalismus heute funktioniert". In den Thesen heißt es u.a., Medien müssten "ihre Arbeitsweise der technologischen Realität anpassen", den Dialog mit den Nutzern suchen, Links nutzen und Fehler zugeben. Das "Selbstverständnis des Journalismus" werde seiner "Schlüssellochfunktion beraubt", die Grenze zwischen Profis und Amateuren werde aufgehoben. Als Autoren zeichnen u.a. Markus Beckedahl (netzpolitik.org), Sascha Lobo, Robin Meyer-Lucht (Berlin Institute), Stefan Niggemeier und Mario Sixtus (Elektrischer Reporter) verantwortlich. 

 

Das "Internet-Manifest" zielt als Antwort auf Verlautbarungen wie die "Hamburger Erklärung" der Verlage ab, die ein Leistungsschutzrecht im Internet erreichen wollen (kress.de vom 8. Juni 2009). Mit journalistischen Inhalten lasse sich im Netz sehr wohl Geld verdienen, so die Verfasser. Aber die Geschäftsmodelle müssten an die Strukturen des Internets angepasst werden. Nicht umgekehrt: "Niemand sollte versuchen, sich dieser notwendigen Anpassung durch eine Politik des Bestandsschutzes zu entziehen." Gerade hat sich Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier für ein Leistungsschutzrecht stark gemacht (kress.de vom 6. September 2009).

 

Das Manifest nennt wichtige Argumente und Gegen-Argumente zu Positionen der traditionellen Medien. Andererseits ist ihm ein große Portion Überheblichkeit nicht abzusprechen - aber so gehört es sich wohl für ordentliche Manifeste. Dafür spricht schon die Unterzeile "Wie Journalismus heute funktioniert". 

 

Manche der "Behauptungen" sind zudem alles andere als neu oder gar radikal. Der Dialog mit dem Leser und Nutzer, das Internet als "der Sieg der Information", das Netz als Ort des politischen Diskurses - eine ganze Reihe von Medien hat das alles längst verstanden und seine Online-Auftritte danach ausgerichtet. Nicht alle Medienunternehmen sind so rückschrittlich, wie die Verfasser in ihrem Manifest tun.   

 

Das gesamte Manifest und die Verfasser (darunter auch Ex-kress-Mann Peter Stawowy) lesen Sie unten. 

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Anmerkung von kress: Das Manifest war heute mittag für kurze Zeit hinter einer Bezahlschranke verschwunden. Das bitten wir zu entschuldigen. Natürlich sollte das Dokument allen Lesern nicht nur über den gesetzten Link zur Manifest-Website, sondern auch direkt auf kress.de zugänglich gemacht werden. 

 

 

Internet-Manifest

Wie Journalismus heute funktioniert. 17 Behauptungen.

1. Das Internet ist anders.

Es schafft andere Öffentlichkeiten, andere Austauschverhältnisse und andere Kulturtechniken. Die Medien müssen ihre Arbeitsweise der technologischen Realität anpassen, statt sie zu ignorieren oder zu bekämpfen. Sie haben die Pflicht, auf Basis der zur Verfügung stehenden Technik den bestmöglichen Journalismus zu entwickeln - das schließt neue journalistische Produkte und Methoden mit ein.

 

2. Das Internet ist ein Medienimperium in der Jackentasche.

Das Web ordnet das bestehende Mediensystem neu: Es überwindet dessen bisherige Begrenzungen und Oligopole. Veröffentlichung und Verbreitung medialer Inhalte sind nicht mehr mit hohen Investitionen verbunden. Das Selbstverständnis des Journalismus wird seiner Schlüssellochfunktion beraubt - zum Glück. Es bleibt nur die journalistische Qualität, die Journalismus von bloßer Veröffentlichung unterscheidet.

 

3. Das Internet ist die Gesellschaft ist das Internet.

 

Für die Mehrheit der Menschen in der westlichen Welt gehören Angebote wie Social Networks, Wikipedia oder Youtube zum Alltag. Sie sind so selbstverständlich wie Telefon oder Fernsehen. Wenn Medienhäuser weiterexistieren wollen, müssen sie die Lebenswelt der Nutzer verstehen und sich ihrer Kommunikationsformen annehmen. Dazu gehören die sozialen Grundfunktionen der Kommunikation: Zuhören und Reagieren, auch bekannt als Dialog.

 

 

 

4. Die Freiheit des Internet ist unantastbar.

 

Die offene Architektur des Internet bildet das informationstechnische Grundgesetz einer digital kommunizierenden Gesellschaft und damit des Journalismus. Sie darf nicht zum Schutz der wirtschaftlichen oder politischen Einzelinteressen verändert werden, die sich oft hinter vermeintlichen Allgemeininteressen verbergen. Internet-Zugangssperren gleich welcher Form gefährden den freien Austausch von Informationen und beschädigen das grundlegende Recht auf selbstbestimmte Informiertheit.

 

5. Das Internet ist der Sieg der Information.

Bisher ordneten, erzwungen durch die unzulängliche Technologie, Institutionen wie Medienhäuser, Forschungsstellen oder öffentliche Einrichtungen die Informationen der Welt. Nun richtet sich jeder Bürger seine individuellen Nachrichtenfilter ein, während Suchmaschinen Informationsmengen in nie gekanntem Umfang erschließen. Der einzelne Mensch kann sich so gut informieren wie nie zuvor.

 

 

 

6. Das Internet verändert verbessertden Journalismus.

 

Durch das Internet kann der Journalismus seine gesellschaftsbildenden Aufgaben auf neue Weise wahrnehmen. Dazu gehört die Darstellung der Information als sich ständig verändernder fortlaufender Prozess; der Verlust der Unveränderlichkeit des Gedruckten ist ein Gewinn. Wer in dieser neuen Informationswelt bestehen will, braucht neuen Idealismus, neue journalistische Ideen und Freude am Ausschöpfen der neuen Möglichkeiten.

 

 

 

7. Das Netz verlangt Vernetzung.

 

Links sind Verbindungen. Wir kennen uns durch Links. Wer sie nicht nutzt, schließt sich aus dem gesellschaftlichen Diskurs aus. Das gilt auch für die Online-Auftritte klassischer Medienhäuser.

 

 

 

8. Links lohnen, Zitate zieren.

 

Suchmaschinen und Aggregatoren fördern den Qualitätsjournalismus: Sie erhöhen langfristig die Auffindbarkeit von herausragenden Inhalten und sind so integraler Teil der neuen, vernetzten Öffentlichkeit. Referenzen durch Verlinkungen und Zitate – auch und gerade ohne Absprache oder gar Entlohnung des Urhebers – ermöglichen überhaupt erst die Kultur des vernetzten Gesellschaftsdiskurses und sind unbedingt schützenswert.

 

 

 

9.Das Internet ist der neue Ort für den politschen Diskurs. 

Demokratie lebt von Beteiligung und Informationsfreiheit. Die Überführung der politischen Diskussion von den traditionellen Medien ins Internet und die Erweiterung dieser Diskussion um die aktive Beteiligung der Öffentlichkeit ist eine neue Aufgabe des Journalismus.

10. Die neue Pressefreiheit heißt Meinungsfreiheit.

 

Artikel 5 des Grundgesetzes konstituiert kein Schutzrecht für Berufsstände oder technisch tradierte Geschäftsmodelle. Das Internet hebt die technologischen Grenzen zwischen Amateur und Profi auf. Deshalb muss das Privileg der Pressefreiheit für jeden gelten, der zur Erfüllung der journalistischen Aufgaben beitragen kann. Qualitativ zu unterscheiden ist nicht zwischen bezahltem und unbezahltem, sondern zwischen gutem und schlechtem Journalismus.

 

11. Mehr ist mehr – es gibt kein Zuviel an Information.

Es waren einst Institutionen wie die Kirche, die der Macht den Vorrang vor individueller Informiertheit gaben und bei der Erfindung des Buchdrucks vor einer Flut unüberprüfter Information warnten. Auf der anderen Seite standen Pamphletisten, Enzyklopädisten und Journalisten, die bewiesen, dass mehr Informationenzu mehr Freiheit führen - sowohl für den Einzelnen wie auch für dieGesellschaft. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

 

 

 

12. Tradition ist kein Geschäftsmodell.

 

Mit journalistischen Inhalten lässt sich im Internet Geld verdienen. Dafür gibt es bereits heute viele Beispiele. Das wettbewerbsintensive Internet erfordert aber die Anpassung der Geschäftsmodelle an die Strukturen des Netzes. Niemand sollte versuchen, sich dieser notwendigen Anpassung durch eine Politik des Bestandsschutzes zu entziehen. Journalismus braucht einen offenen Wettstreit um die besten Lösungen der Refinanzierung im Netz und den Mut, in ihre vielfältige Umsetzung zu investieren

 

 

13. Im Internet wird das Urheberrechtzur Bürgerpflicht.

 

Das Urheberrecht ist ein zentraler Eckpfeiler der Informationsordnung im Internet. Das Recht der Urheber, über Art und Umfang der Verbreitung ihrer Inhalte zu entscheiden, gilt auch im Netz. Dabei darf das Urheberrecht aber nicht als Hebel missbraucht werden, überholte Distributionsmechanismen abzusichern und sich neuen Vertriebs- und Lizenzmodellen zu verschließen. Eigentum verpflichtet.

 

 

 

14. Das Internet kennt viele Währungen.

 

Werbefinanzierte journalistische Online-Angebote tauschen Inhalte gegen Aufmerksamkeit für Werbebotschaften. Die Zeit eines Lesers, Zuschauers oder Zuhörers hat einen Wert. Dieser Zusammenhang gehört seit jeherzu den grundlegenden Finanzierungsprinzipien für Journalismus. Andere journalistisch vertretbare Formen der Refinanzierung wollen entdeckt und erprobt werden.

 

 

 

15. Was im Netz ist, bleibt im Netz.

 

Das Internet hebt den Journalismus auf eine qualitativ neue Ebene. Online müssen Texte, Töne und Bilder nicht mehr flüchtig sein. Sie bleiben abrufbar und werden so zu einem Archiv der Zeitgeschichte. Journalismus muss die Entwicklungen der Information, ihrer Interpretation und den Irrtum mitberücksichtigen, also Fehler zugeben und transparent korrigieren.

 

 

 

16. Qualität bleibt die wichtigste Qualität.

Das Internet entlarvt gleichförmige Massenware. Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist. Die Ansprüche der Nutzer sind gestiegen. Der Journalismus muss sie erfüllen und seinen oft formulierten Grundsätzen treu bleiben.

 

17. Alle für alle. 

Das Web stellt eine den Massenmedien des 20. Jahrhunderts überlegene Infrastruktur für dengesellschaftlichen Austausch dar: Die "Generation Wikipedia" weiß im Zweifel die Glaubwürdigkeit einer Quelle abzuschätzen, Nachrichten bis zu ihrem Ursprung zu verfolgen und zu recherchieren, zu überprüfen und zu gewichten – für sich oder in der Gruppe. Journalisten mit Standesdünkel und ohne den Willen, diese Fähigkeiten zu respektieren, werden von diesen Nutzern nicht ernst genommen. Zu Recht. Das Internet macht es möglich, direkt mit den Menschen zu kommunizieren, die man einst Leser, Zuhörer oder Zuschauer nannte - und ihr Wissen zu nutzen. Nicht der besserwissende, sondern der kommunizierende und hinterfragende Journalist ist gefragt.

 

Internet,07.09.2009

Markus Beckedahl 

Mercedes Bunz           

Julius Endert              

Johnny Haeusler         

Thomas Knüwer           

Sascha Lobo              

Robin Meyer-Lucht     

Wolfgang Michal          

Stefan Niggemeier       

Kathrin Passig              

Janko Röttgers          

Peter Schink              

Mario Sixtus               

Peter Stawowy           

Fiete Stegers  

 

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